Einführung elektronischer Dokumente: fruchtbarer Austausch beim CESNI-Workshop

08/09/2022

Die Fortentwicklung der Digitalisierung gehört zu den zentralen Herausforderungen der Binnenschifffahrt. Laut der von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) verabschiedeten Mannheimer Erklärung trägt die Digitalisierung zur „Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit der Binnenschifffahrt“ bei. Auch im Aktionsplan für die Binnenschifffahrt (NAIADES III) der Europäischen Kommission (EK) wird ein „Paradigmenwechsel hin zur weiteren Digitalisierung“ als eines der Kernziele angegeben.
 
Die Einführung elektronischer Dokumente, insbesondere für den Rhein, aber auch für andere europäische Flüsse stellt dabei ein übergeordnetes Thema dar, das für den Europäischen Ausschuss zur Ausarbeitung von Standards im Bereich der Binnenschifffahrt (CESNI) und dessen Arbeitsgruppen für Informationstechnologien (TI), technische Vorschriften (PT) und Berufsbefähigungen (QP) einen hohen Stellenwert besitzt. Vor diesem Hintergrund fand am 8. September 2022 ein Workshop über die Einführung elektronischer Dokumente in der Binnenschifffahrt statt.
 

Quelle: CESNI

 

„Elektronische Dokumente sind wichtig, da sie zur Verbesserung der Sicherheit der Schifffahrt, zu einer Verkehrsverlagerung und zu einer leichteren Integration der Binnenschifffahrt in die Logistikketten beitragen können. Dies ist auf einen geringeren Verwaltungsaufwand bzw. eine Unterstützung des Gesamtprozesses zurückzuführen“, so Christoph Plasil, Vorsitzender des Workshops sowie Vorsitzender der CESNI-Arbeitsgruppe für Informationstechnologien.

 
Das erste Ziel des Workshops bestand darin, vorbildliche Verhaltensweisen bei der Digitalisierung von Dokumenten in der Binnenschifffahrt oder im Bereich anderer Verkehrsträger zusammenzutragen. Die Erkenntnisse aus bestehenden Projekten oder Initiativen sorgten für ein besseres und gründlicheres Verständnis der Vorteile, Zwänge und Herausforderungen – auch während der Implementierungsphase. Das zweite Ziel bestand darin, herauszufinden, welche Art elektronischer Dokumente für einige der in den CESNI-Standards erwähnten Schlüsseldokumente empfohlen oder genutzt werden kann.
 
Im Laufe des Workshops wurden Beispiele für bewährte Verfahren – auch aus anderen Verkehrsbereichen – vorgestellt. Das Projekt e-CMR betrifft die Digitalisierung eines wichtigen Dokuments des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs: des Frachtbriefs. Das Unternehmen Kiwa Digital Certification arbeitet an der Umsetzung eines ISO-Standards zur Digitalisierung persönlicher Dokumente in der Seeschifffahrt mithilfe von Smartphones. Das Unternehmen Bluecentury bietet eine Plattform für die Digitalisierung zahlreicher Prozesse an. Die Präsentation vermittelte auf hervorragende Weise den Standpunkt eines Softwareentwicklers zu den Herausforderungen der Digitalisierung sowie dessen ganzheitliche Herangehensweise an dieses Thema. Das Unternehmen Danser hielt eine Präsentation zu seinen Ansprüchen und Erfolgen bei der Digitalisierung von Dokumenten für Containerschiffe in der Binnenschifffahrt. Dabei wurde der Blickwinkel einer großen Reederei deutlich, die mit den täglichen Schwierigkeiten bei der Digitalisierung konfrontiert ist. Das Unternehmen viadonau stellte das System „CEERIS“ vor, eine korridorbezogene Meldeplattform, die von Schiffsführern oder Flottenmanagern genutzt werden kann. Sie soll den Verwaltungsaufwand reduzieren und grenzüberschreitendes Fahren entlang der Donau erleichtern, indem über eine „einmalige Dateneingabe“ „nur einmal gemeldet“ wird.
 
Auch die Standpunkte der Regulierungsinstanzen und ihre Strategie im Bereich elektronischer Dokumente wurden dargelegt. Die Europäische Kommission informierte über die E-Tools-Initiative, die auf die Digitalisierung von Besatzungsdokumenten ausgerichtet ist. Die ZKR erläuterte die kontinuierliche Fortschreibung ihrer Verordnungen, die regelmäßig zur Digitalisierung weiterer Informationen führt. Zwei Beispiele wurden genannt: Es besteht mittlerweile eine elektronische Meldepflicht für einen Großteil der Schiffe auf dem Rhein und zahlreiche Dokumente können den Polizeibehörden bei einer Kontrolle in elektronischer Form vorgelegt werden. Aus Sicht der Regulierungsinstanzen stellt die Digitalisierung eine Chance, aber auch eine Herausforderung dar.
 

„Die Notwendigkeit öffentlicher und offener Standards wurde mehrfach hervorgehoben. Dem CESNI könnte dabei eine aktive Rolle zukommen, obwohl einige Standards bereits existieren. Der Inhalt der Standards muss einheitlich ausgelegt und verstanden werden, sodass kein Interpretationsspielraum bleibt. Auch muss mit einem entsprechenden Rechtsrahmen elektronischen Dokumenten derselbe Wert zuerkannt werden wie Dokumenten in Papierform“, ergänzte Christoph Plasil.

 
Des Weiteren fand eine von Henk van Laar moderierte Podiumsdiskussion unter Beteiligung verschiedener Interessenträger des Gewerbes, der Häfen, nationaler Behörden und internationaler Organisationen statt. Diese Diskussion ermöglichte einen bereichsübergreifenden Austausch über:

  • die möglichen Hindernisse für die Entwicklung elektronischer Dokumente oder Verfahren,
  • die wichtigsten Vorteile einer verstärkten Digitalisierung in der Binnenschifffahrt,
  • die Erkennung neuer Risiken im Zusammenhang mit der Digitalisierung,
  • einige wesentliche Erwartungen an die Digitalisierung.

 
Zur Bewältigung eventueller Probleme und Schwierigkeiten ist eine intakte Infrastruktur und Netzabdeckung entlang der Wasserstraßen sowie eine entsprechende Schulung und Ausrüstung der Besatzungsmitglieder und Kontrollbehörden unerlässlich. Auch die Themen Schutz personenbezogener Daten und Cybersicherheit müssen Berücksichtigung finden. Die Einführung elektronischer Dokumente sollte schrittweise erfolgen, um die Akzeptanz und eine rasche Implementierung zu gewährleisten. Darüber hinaus sollte der Mensch bei der Digitalisierung im Mittelpunkt bleiben und nicht vergessen werden, dass ein nachhaltiges Verkehrssystem nur mit einem angemessenen Anteil menschlicher Interaktion möglich ist.
 
Die Notwendigkeit und Vorteile der Digitalisierung von Dokumenten sind indessen unbestritten. Es wäre ein großer Gewinn für die Binnenschifffahrt, wenn die aktuellen einschlägigen Informationen an jedem Ort, zu jeder Zeit und womöglich in verschiedenen Sprachen verfügbar wären. Durch die Digitalisierung würden auch die Ausstellung und Aufhebung von Zeugnissen sowie der Zugang zu diesen erleichtert. Außerdem wäre eine leichte und transparente Nachverfolgung wesentlicher Aktionen möglich. Auch Kontrollen wären einfacher, sie könnten bei Bedarf aus der Ferne erfolgen. Zu guter Letzt wäre der Einsatz elektronischer Dokumente kostensparend und umweltschonend.
 

„Es gibt bereits zahlreiche Initiativen, doch das Schlagwort lautet „Harmonisierung“: Harmonisierung der Strategien, Tools, Datensätze sowie der Verfahren und Abläufe. Darüber hinaus sollte die Entwicklung auf internationaler Ebene stattfinden, mit den Mitgliedstaaten der EU, der ZKR, der Donaukommission und anderen internationalen Organisationen“, resümierte Christoph Plasil.

 
Mit dem Workshop wurde ein wichtiger Schritt zur Annäherung der Standpunkte mit Blick auf die Einführung elektronischer Dokumente in der Binnenschifffahrt erzielt. Die verschiedenen CESNI-Arbeitsgruppen werden die fruchtbaren Diskussionen der Sitzung nun analysieren und aufbereiten und Empfehlungen für die schrittweise Implementierung elektronischer Dokumente in der Binnenschifffahrt ausarbeiten.
 
Über den Workshop
 
Der CESNI-Workshop fand am 8. September 2022 im Palais du Rhin in Straßburg statt und wurde online gestreamt. Den Vorsitz führte Christoph Plasil, Mitglied der österreichischen Delegation des CESNI. Etwa 100 Teilnehmer – 55 in Straßburg und 45 online – verfolgten die Sitzung. Die Vielfalt der Teilnehmer aus 11 verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichem Hintergrund (Binnenschifffahrtsgewerbe, Wasserstraßen- und Hafenbehörden, Verladerverbände, Flusskommissionen und internationale Binnenschifffahrts-Organisationen usw.) führte zu einem produktiven und umfangreichen Austausch.